Teil 1
Von München aus in den hohen Norden zu fahren, nur um auf einem Binnengewässer
zu segeln? Macht das denn Sinn? Schließlich haben
wir doch genügend Seen in Oberbayern, um praktisch vor der
Haustür unserem Hobby nachzugehen.
Vor drei Jahren waren wir zum ersten Mal auf den Mecklenburgischen Seen segeln.
Die vielen blauen Flecke auf der Landkarte haben mich einfach zu sehr interessiert. Das fast alle Seen durch
Kanäle verbunden sind und so richtiges Fahrtensegeln ermöglichen, ergab den Ausschlag: für den nächsten Kurzurlaub
wude eine Woche Familientörn gebucht.
Herr Freitag von Salty Dog Yachtcharter machte uns auf
ein paar Besonderheiten des von uns ausgewählten Schiffes
aufmerksam: Die B9, ein traditioneller Jollenkreuzer
Baujahr 1953, ist halt schon etwas älter und auch kein total-renovierter
Luxus-Oldtimer, sondern ein Boot, dem man seine Jahre ansieht.
Etwas Wasser in der Bilge müßten wir auch in Kauf
nehmen. Ansonsten ist das Schiff in einem sicheren Zustand und
wegen seines geringen Tiefgangs von nur 35 cm geradezu ideal für
die Mecklenburger Seenplatte. Die Mastlegevorrichtung ist
auch sehr einfach zu bedienen und für eine vierköpfige
Familie ist auf einem 30iger Jollenkreuzer mit 9 m Länge
auch genügend Platz.
So meine Bedenken hatte ich ja schon, denn wenn der Segelurlaub
ein Reinfall wird, bin ich natürlich schuld, aber meine Jungs
(damals 12 und 16) fanden es einfach geil, auf einem alten Holzschiff
zu segeln und meine Frau Silvia war auch sofort einverstanden.
Wir übernahmen die "B9" (ein komischer Name für
ein Boot; man denkt da doch eher an einen Bomber) in der Marina
Claas See, bei Rechlin an der Müritz. Silvia und die Kinder
waren sofort begeistert von unserem schwimmenden Zuhause. Die
Übergabe erfolgte mit einer Flasche Pils in der Hand in entspannter
Atmosphäre. Alles Notwendige war an Bord, allerdings dem
Alter des Bootes angepaßt: Kerzen statt Elektrizität,
ein alter Spirituskocher anstelle einer modernen Gasanlage, eine
gemütliche Holzeinrichtung, aber keine Stehhöhe.
Der erste Blick auf den größten deutschen Binnensee
bescherte uns ein völlig unglaubliches Bild: Samstag nachmittag,
gutes Wetter mit angenehmen 3 Windstärken und nur 5 (in Worten
FÜNF!) Segelboote auf dem ganzen See! Über Vorfahrtsregeln
würde ich mir in der nächsten Woche wohl wenig Gedanken
machen müssen.